Auch dieses Jahr ist es mir nicht gelungen, zur richtigen Zeit zur Stelle zu sein und so werde ich wieder einmal die Konsequenzen daraus tragen müssen. Mit krummem und schmerzendem Rücken und schmerzenden Knien werde ich aufs neue im kommenden Frühjahr meinen Garten von der Akeleiseuche befreien müssen, wenn ich auch anderen Pflanzen eine LebensChance geben möchte. Wenn sie sich breit macht, die Akelei, unüberschaubar, und so tut, als gehörte der Garten ihr alleine, ihre Blätterfinger hoch hinaus schickt und auseinander spreizt, oft riesige, halbkugelige Gebilde formt, dann kann darunter sicher nichts mehr wachsen. So mancher Lavendel ist mir auf diese Weise schon erstickt und ich musste verärgert seine sterblichen Überreste entfernen.
Wieder einmal werde ich sie ausreißen müssen und auf den Kompost werfen, nachdem niemand mehr da ist, der davon haben will.
Das kenne ich schon! Hätte ich doch rechtzeitig die abgeblühten Stängel abgeschnitten, solange sie noch grün waren. Wenn ich jetzt, im Juli, durch den Garten gehe und die braunen, trockenen Samenbüschel bei jeder Berührung knistern und rascheln und, von einem leisen Zischen begleitet, die winzigkleinen, schwarzen, glänzenden Körner aus den schmalen, offenen Röhrchen durch die Luft spritzen, denke ich mit Grauen daran, wie jedes Samenkorn, wo immer es landet, sich zur Riesenstaude entwickeln wird.
Mein Garten ist sicher in die Akelei verliebt, so etwas gibt es! Anders kann ich mir das nicht erklären.
Und trotz dieser bevorstehenden, ungünstigen Prognose fange ich zu träumen an. Ich träume von milden, sonnigen Frühlingstagen, versunken in einem Meer von überschwänglicher Akeleienpracht, sehe Blütenfarben vor mir, vom dunkelsten Schwarzviolett, heller werdend, über Lila- und Blauschattierungen, weinrot bis rosa, pink, gelb und weiß. Doch nicht nur einfärbig, sondern in immer neuen Variationen komponieren diese Blumengeschöpfe ihre Farbsymphonien und erst im Blütenbau entfalten sie ihre volle Phantasie. Einmal wie Bällchen, kompakt und rund, dann wieder leicht und luftig, mit gerüschten Röckchen, wie Tutus von Tänzerinnen, oft auch in zwei Farben und darüber, gleich den Zacken einer Krone, hochgezogene, schlanke, elegante Zipfel mit eingerollten Spitzen. Manche strecken ihre oberen Blütenblätter von sich, wie Windräder, die auf den Wind warten und in manchen Blüten meine ich Schmetterlinge zu erkennen, die sich sogleich in die Luft erheben möchten. Die meisten Blüten hängen an ihren langen Stängeln wie Glöckchen und tanzen leicht beim leisesten Windhauch. Einige aber gibt es, die bleiben niedrig und strecken mir von unten ihre Gesichtchen mit den Staubgefässen entgegen, treuherzig und rührend, als würden sie darum bitten, bleiben zu dürfen.
Ja, meine Lieben, bleibt nur, ihr schönen Blütenkünstlerinnen. Ich aber warte voll Zuversicht und Hoffnung auf den nächsten Juli, wenn ich mir wieder einmal vornehme neu anzufangen, um euerem üppigen Nachwuchs Grenzen zu setzen.